„Von Russland bis überall – Wenn freie Berichterstattung zur Straftat wird“

Russland hat am 14. August 2025 die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen als „unerwünscht“ eingestuft. Diese Entscheidung bedeutet faktisch ein Verbot: Russische Staatsbürger dürfen weder mit der Organisation zusammenarbeiten noch sie finanziell unterstützen. Wer sich darüber hinwegsetzt, riskiert strafrechtliche Verfolgung. Damit reiht sich Reporter ohne Grenzen in eine lange Liste von über 250 Organisationen ein, darunter Amnesty International und Greenpeace, die in Russland bereits als unerwünscht erklärt wurden. Diese Entwicklung ist kein isoliertes Ereignis, sondern Teil einer systematischen Strategie des russischen Staates, kritische Stimmen auszuschalten und die öffentliche Meinung streng zu kontrollieren.

Reporter ohne Grenzen dokumentiert seit Jahren die dramatische Verschlechterung der Pressefreiheit in Russland. Nahezu alle unabhängigen Medien sind verboten, blockiert oder durch das Stigma des „ausländischen Agenten“ diskreditiert. Mit einem immer dichteren Netz an Gesetzen und willkürlichen Verfahren werden kritische Journalisten mundtot gemacht. Jüngste Beispiele zeigen die Härte dieses Kurses: Im April 2025 wurden vier Medienschaffende wegen ihrer Berichterstattung über Alexei Nawalny zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt – ohne erkennbar legitime Grundlage. Der US-Journalist Evan Gershkovich sitzt seit 2023 in Haft, ein Prozess ohne belastbare Beweise diente vor allem der politischen Machtdemonstration. Die russische Journalistin Ekaterina Barabash musste unter dramatischen Umständen fliehen, nachdem sie wegen angeblicher „Verbreitung falscher Informationen“ festgenommen worden war.

Mit dem Verbot von Reporter ohne Grenzen wird gezielt eine Organisation angegriffen, deren Arbeit weltweit für den Schutz von Journalisten steht. Dies ist nicht nur ein Symbol repressiver Politik, sondern ein offener Angriff auf die Grundprinzipien einer freien Gesellschaft. Das Ziel ist klar: Jede unabhängige Kontrolle der Macht soll eliminiert werden.

Meiner Einschätzung nach wird sich diese Entwicklung weiter ausdehnen. Der Staat hat erkannt, dass Kontrolle über Informationen der Schlüssel zur Macht ist – und je instabiler die innenpolitische Lage, desto aggressiver wird gegen kritische Stimmen vorgegangen. Ich befürchte, dass wir in eine Zeit zurückfallen, in der Journalisten ähnlich wie im Zeitalter der Hexenverfolgungen gejagt werden: öffentlich gebrandmarkt, verleumdet und schließlich verurteilt, nicht wegen realer Vergehen, sondern weil sie die falschen Fragen stellen. Die Jagd auf freie Berichterstattung könnte sich nicht nur auf Russland beschränken, sondern auch auf andere autoritär regierte Staaten ausweiten, die in dieser Strategie ein wirksames Mittel sehen, ihre Macht zu festigen.

In dieser möglichen Zukunft wird unabhängiger Journalismus nicht nur kriminalisiert, sondern vollständig in den Untergrund gedrängt. Informationen würden wie verbotene Bücher im Mittelalter heimlich weitergegeben, und das Recht auf Wahrheit würde zu einem Privileg für jene, die den Mut und die Mittel haben, sich dem Machtmonopol zu widersetzen.

….. einer der gefährlichsten Aspekte dieser Entwicklung.

In Russland geraten längst nicht mehr nur Journalisten ins Visier, die klar regimekritisch berichten, sondern auch solche, die sich um neutrale, sachliche Berichterstattung bemühen. Das System unterscheidet nicht mehr zwischen Meinungsjournalismus, investigativer Kritik oder nüchternen Nachrichtenmeldungen. Alle, die nicht die offizielle Sprachregelung übernehmen, laufen Gefahr, als „ausländische Agenten“ oder „Verbreiter falscher Informationen“ gebrandmarkt zu werden.

Gerade diese Ausweitung ist perfide: Wenn selbst neutrale Berichterstattung kriminalisiert wird, gibt es keinen sicheren Raum mehr für seriöse Medienarbeit. Es entsteht ein Klima der Angst, in dem Journalistinnen und Journalisten anfangen, sich selbst zu zensieren – nicht aus Überzeugung, sondern aus nackter Überlebensnotwendigkeit. Das führt langfristig dazu, dass die Öffentlichkeit nur noch eine einseitige, staatlich geformte Realität zu sehen bekommt, während jede Form von ausgewogener Information verschwindet.

„Dies ist nicht nur ein russisches Problem, sondern ein universelles Muster. Überall dort, wo eine Regierung, eine Institution oder ein mächtiges Unternehmen bestimmt, was geschrieben oder gesagt werden darf, beginnt die schleichende Erosion der Wahrheit. Pressefreiheit stirbt nicht immer in einem großen Knall – oft geschieht es leise, in kleinen Schritten, bis kritische und selbst neutrale Stimmen verschwinden. Wer die Kontrolle über Worte hat, kontrolliert am Ende das Denken.“

Pressefreiheit

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