„Handelspolitik im Fokus: Im Gespräch mit Dr. Elias Berger über Trumps riskantes Spiel“
In einer Zeit, in der die Weltwirtschaft an einem Scheideweg steht, sorgt die Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump für hitzige Debatten. Am 2. April 2025, dem sogenannten „Liberation Day“, hat Trump seine „reziproken Zölle“ eingeführt – ein Schritt, der die globalen Handelsbeziehungen auf die Probe stellt. In einem exklusiven Interview spricht Moderatorin Karina mit dem renommierten Ökonomen Dr. Elias Berger über die möglichen Folgen dieser Politik. Kann Trump mit seiner Strategie die USA in eine neue wirtschaftliche Blütezeit führen, oder setzt er die Weltwirtschaft einen gefährlichen Dominoeffekt aus? In einem modernen Studio, vor einer Weltkarte mit Handelsrouten und Zollgrafiken, diskutieren die beiden Chancen und Risiken dieses waghalsigen Manövers.
Karina: Guten Tag, Dr. Berger. Vielen Dank, dass Sie sich Zeit nehmen, um mit mir über Donald Trumps Handelspolitik zu sprechen. Die Medien sind voll davon, und viele sehen darin ein gewaltiges Risiko. Wie schätzen Sie das ein?
Dr. E. Berger: Guten Tag, Karina. Es ist mir eine Freude. Trumps Handelspolitik ist ein waghalsiges Unterfangen – ich würde es mit einem Pokerspiel vergleichen, bei dem der Einsatz die gesamte US-Wirtschaft ist. Am 2. April 2025 hat er seine „reziproken Zölle“ ausgerollt, die er als „Liberation Day“ bezeichnet – ein symbolischer Moment, in dem die USA sich angeblich von unfairen Handelspraktiken lossagen. Es ist ein mutiger Schachzug, aber die entscheidende Frage lautet: Hat er die Kontrolle über das Brett, oder überschätzt er seine Trümpfe?
Karina:„Liberation Day“ – das hat fast etwas Theatralisches. Was genau bedeutet das, und wie passt es zu Trumps bisherigem Stil?
Dr. Elias Berger: Es ist pure Inszenierung, und das ist typisch Trump. Schon in „The Art of the Deal“ von 1987 betonte er, dass er groß denkt – er wolle „die Sterne erreichen“, wie er schrieb. Seine Vision ist es, die amerikanische Industrie wieder aufzubauen, Handelspartner zu zähmen, die er als Ausnutzer sieht, und die USA in eine neue wirtschaftliche Blütezeit zu führen. Der „Liberation Day“ ist der Auftakt: Zölle von 10 bis 20 % auf EU-Waren, 34 % auf chinesische Importe, 25 % auf Autos aus verschiedenen Ländern. Er will Druck erzeugen, damit andere ihre eigenen Barrieren abbauen. Es ist ein Machtpoker – er setzt darauf, dass die USA als größte Volkswirtschaft die Regeln diktieren können.
Karina:Er hat aber auch gesagt, dass er kein Spieler ist, richtig? Wie reimt sich das zusammen?
Dr. Elias Berger: Das ist der faszinierende Widerspruch. In seinem Buch schreibt er, Glücksspiele seien nichts für ihn – er wolle lieber die Bank sein, die langfristig gewinnt. Jetzt aber agiert er wie ein Spieler, der alles auf eine Karte setzt. Mit einem Federstrich verhängt er Zölle und glaubt, die Oberhand zu haben, weil die USA den Zugang zu ihrem Markt als Hebel nutzen können. Doch die Weltwirtschaft ist kein Spielcasino, wo er allein die Karten mischt. Andere Länder kontern, und das Risiko eines wirtschaftlichen Dominoeffekts ist hoch.
Karina: Sie sagen, es könnte gelingen oder in die Hose gehen. Lassen Sie uns das analysieren . Was wäre das beste Ergebnis für Trump?
Dr. Elias Berger: Im besten Fall läuft es wie ein perfekt getimtes Drehbuch. Die Handelspartner – etwa die EU, China oder Mexiko – sehen ein, dass Widerstand zwecklos ist, und senken ihre eigenen Zölle, um Schlimmeres zu vermeiden. Trump könnte dann großzügig auftreten, seine Tarife zurückschrauben und einen Triumph ausrufen. Die Märkte würden sich entspannen, die Inflation bliebe beherrschbar, und vielleicht kämen ein paar Fabriken zurück in die USA. Neue Arbeitsplätze, ein etwas kleineres Handelsdefizit – das wäre sein Gewinn. Aber selbst dann würde er nicht das „Goldene Zeitalter“ heraufbeschwören, das er verspricht. Dafür fehlen den USA Fachkräfte, moderne Infrastruktur und die Geduld für einen solchen Wandel.
Karina:Das klingt realistisch, aber nicht berauschend. Warum denken Sie, dass es nicht so glatt laufen wird?
Dr. Elias Berger: Weil die Welt selten so mitspielt, wie Trump es sich vorstellt. Viele Länder lassen sich nicht einfach in die Knie zwingen. Großbritannien versucht es mit Charme – Premierminister Starmer hat Trump eine Einladung von König Charles überreicht, um ein Zollabkommen zu ergattern. Das ist clever, aber eine Ausnahme. Kanada, mitten im Wahlkampf, muss Härte zeigen und hat 25 % Gegenzölle auf US-Produkte verhängt. Die EU plant, 370 Milliarden Euro an US-Importen zu besteuern. China wird kaum nachgeben. Wenn dieser Widerstand zunimmt, könnte der Handelsstreit außer Kontrolle geraten, und dann wird es ungemütlich.
Karina: Ungemütlich – das klingt bedrohlich. Was meinen Sie konkret?
Dr. Elias Berger: Stellen Sie sich eine Kaskade von Problemen vor. Erstens: Die Weltwirtschaft, die schon jetzt schwächelt, könnte vollends ins Straucheln geraten. Mexiko und Kanada, stark von den USA abhängig, steuern auf eine Rezession zu – ihre Exporte leiden bereits. Europa und Asien kämpfen mit neuen Handelsschranken, und das Wachstum schrumpft. Zweitens: Der Dollar steigt – aktuell bei 1,0141 zum Euro, ein Tiefstwert seit 2022. Das verteuert US-Exporte und torpediert Trumps Ziel, das Handelsdefizit zu reduzieren. Drittens: In den USA könnten die Menschen zurückhaltender konsumieren. Die Stimmung ist schlecht, die Aktienmärkte wackeln, und Zölle treiben die Preise hoch. Eine Rezession wäre nicht abwegig.
Karina: Und die Inflation? Ich habe gelesen, dass sie ein großes Problem werden könnte.
Dr. Elias Berger: Das stimmt. Zölle wirken wie eine versteckte Steuer auf Importe – die Kosten für Elektronik, Autos, alles steigen. Die Kerninflation liegt bei 2,8 %, über dem Fed-Ziel von 2 %. Wenn das eskaliert, könnte ein neuer Preisschub kommen, der die Fed zwingt, die Zinsen hochzuhalten – sie sind jetzt bei 4,25-4,5 %. Trump will aber niedrige Zinsen, um die Wirtschaft anzukurbeln. Das könnte zu einem Konflikt führen. Er hat die Fed schon auf Truth Social attackiert und ihre „vorsichtige“ Politik kritisiert. Wenn es schiefgeht, wird er sie als Sündenbock hinstellen.
Karina: Ein Streit mit der Fed – das klingt nach einem ziemlichen Durcheinander. Wie wahrscheinlich ist das?
Dr. Elias Berger: Es ist nicht sicher, aber möglich. Trump liebt es, Verantwortung abzuwälzen – er gibt Biden die Schuld an Handelsdefiziten, Schulden, sogar den Eierpreisen. Die Fed wäre ein naheliegendes Ziel, wenn die Wirtschaft in eine Stagflation abrutscht – hohe Preise, kein Wachstum. Die Märkte würden das nicht gut aufnehmen; wir könnten heftige Turbulenzen sehen. Es ist ein Risiko, das er vielleicht nicht voll durchdenkt.
Karina: Kommen wir auf seine Strategie zurück. Manche sagen, Trump habe keinen Plan, nur Chaos. Sie sehen das anders?
Dr. Elias Berger:Ja, ich halte das für ein Missverständnis. Trump hat eine Strategie – sie ist nur flexibel und unstrukturiert. In „The Art of the Deal“ sagt er, er mag keine festen Pläne, weil sie Kreativität ersticken. Er beobachtet, reagiert, improvisiert. Das sehen wir jetzt: Er droht mit Zöllen, setzt sie teilweise um, zieht zurück, wenn es passt – wie bei Mexiko im Februar. Es ähnelt einer Taktik, die neue Firmenchefs nutzen: „kitchen sinking“. Sie schieben alles auf den Vorgänger und nutzen die Anfangsphase für radikale Schritte. Trump macht das mit Biden – das Defizit, die Windräder, alles Bidens Versagen. Das verschafft ihm Zeit bis 2026, bis die Zwischenwahlen kommen.
Karina: Sein Handelsminister Howard Lutnick meinte, ab dem dritten Quartal spürt man Trumps Einfluss. Passt das dazu?
Dr. Elias Berger: Exakt. Lutnick sagte bei Bloomberg: „Q1 und Q2 gehören Biden, ab Q3 kommt Trump.“ Das ist die „kitchen sinking“-Logik – die ersten Monate sind Schonfrist, dann muss er Ergebnisse zeigen. Deshalb bleibt er gelassen, obwohl die Aktienmärkte seit März taumeln. Er hofft, dass die Zölle langfristig zahlen. Ob das aufgeht, hängt davon ab, wie schnell die Handelspartner reagieren.
Karina: Aber was, wenn sie nicht so reagieren, wie er will? Was ist das schlimmste Szenario?
Dr. Elias Berger:Das schlimmste Szenario ist ein wirtschaftlicher Albtraum. Der Handelskonflikt wird chronisch – Länder wie die EU und China schlagen zurück, und die globalen Lieferketten zerreißen. Die Weltkonjunktur erstarrt, die USA rutschen in eine Rezession, und die Inflation schießt hoch – vielleicht auf 5 % oder mehr. Die Fed erhöht die Zinsen, Trump greift sie an, und die Märkte geraten in Panik. Die Konsumenten ziehen sich zurück, Firmen kürzen Jobs, und das Handelsdefizit bleibt, weil der starke Dollar alles zunichtemacht. Es wäre ein Chaos, das Jahre zur Erholung bräuchte.
Karina: Und da war noch die Sorge um US-Staatsanleihen. Wie passt das ins Bild?
Dr. Elias Berger: Das ist eine spekulative Gefahr, aber nicht aus der Luft gegriffen. Es gibt keine Pläne, Staatsanleihen direkt zu besteuern, aber Trumps Steuersenkungen – geschätzt 7,75 Billionen Dollar bis 2035 – und Musks Haushaltsideen könnten das Defizit in die Höhe treiben. Wenn die Zölle die Wirtschaft schwächen und das Vertrauen in US-Schulden sinkt, könnten Investoren zögern. Eine Schuldenkrise ist unwahrscheinlich, aber Trump bringt uns näher an diesen Abgrund. Es ist, als würde er mit einem Feuerzeug neben einem Pulverfass tanzen.
Karina: Das klingt ziemlich finster. Glauben Sie, er erkennt diese Gefahren?
Dr. Elias Berger: Ich denke, er sieht sie, aber er glaubt, dass er siegen kann. Seine Kritiker sagen, er blufft – seine Anhänger halten ihn für ein Genie. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Er hat einen Plan, aber die Erfolgsaussichten sind fragil. Wenn er scheitert, wird der Schaden gewaltig sein – nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt.
Karina:Zum Abschluss: Was verrät uns das über Trump als Politiker?
Dr. Elias Berger: Er ist ein Mann der großen Bühne, der Risiken sucht. In „The Art of the Deal“ schreibt er, dass man die Leute nicht lange täuschen kann – wenn man die Erwartungen nicht erfüllt, wird man entlarvt. Er hat die Erwartungen in die Höhe getrieben, und jetzt muss er abliefern. Der 2. April war nur der Anfang – die kommenden Monate zeigen, ob er ein brillanter Stratege oder ein Spieler ist, der sein Blatt überschätzt hat.
Karina: Dr. Berger, vielen Dank für diese tiefgehende Analyse. Das gibt wirklich Stoff zum Nachdenken.
Dr. Elias Berger: Gern geschehen, Karina. Es bleibt eine spannende – und vielleicht etwas beunruhigende – Zeit.
Dr. Elias Berger ist ein international anerkannter Ökonom und Professor für Internationale Wirtschaft an der Universität Zürich. Geboren 1972 in Salzburg, Österreich, studierte er Volkswirtschaftslehre an der London School of Economics, wo er 1998 mit Auszeichnung promovierte. Seine Forschung konzentriert sich auf globale Handelsströme, makroökonomische Stabilität und die Auswirkungen protektionistischer Politik. Berger hat über 50 wissenschaftliche Publikationen veröffentlicht, darunter das vielbeachtete Buch „Handelskriege: Eine historische Analyse“ (2005). Er ist regelmäßiger Gast in internationalen Wirtschaftsforen wie dem World Economic Forum in Davos und berät mehrere europäische Regierungen in Fragen der Handelspolitik. Neben seiner akademischen Karriere ist Dr. Berger ein gefragter Redner, bekannt für seine klare, faktenbasierte Analyse und seine Fähigkeit, komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Er lebt in Zürich, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
