Vor Kurzem habe ich mich wieder einmal an einen Versuch gewagt, der mich für einige Jahre in Frustration gestürzt hatte: den Kauf von Kleidung bei den großen Fast-Fashion-Marken wie H&M und Zara. Obwohl ich seit Jahren die Filialen dieser Marken meide, da ich mit meiner früheren Größe XXS dort kaum noch etwas gefunden habe, was nicht in der Kinderabteilung hing, wollte ich nun, wo ich eine gesunde S trage, den Versuch wagen und mich an ein paar neuen Stücken versuchen.
Schon vor Jahren hatte ich mich nach etlichen enttäuschenden Shoppingtouren dazu entschieden, Fast-Fashion-Läden den Rücken zu kehren. Als zierliche Frau, die damals XXS trug, war es mir fast unmöglich, in den normalen Damenabteilungen etwas Passendes zu finden. Es fühlte sich oft an, als wäre ich eine Außenseiterin in einer Welt, in der es keine passende Kleidung für mich gab. Meine einzigen Optionen schienen die Kinderabteilungen zu sein – ein Gedanke, der mich nicht nur frustrierte, sondern auch mein Selbstbewusstsein beeinträchtigte.
Doch vor einigen Wochen, vielleicht beflügelt durch die Leichtigkeit des Sommers, beschloss ich, H&M und Zara noch eine Chance zu geben. Immerhin hatte ich in der Zwischenzeit meine Größe auf eine gesunde S gesteigert und war überzeugt, dass die Modewelt mir nun wieder offenstehen müsste. Ich bestellte ein Bodycon-Kleid und einen Overall bei H&M sowie ein Carmen-Kleid bei Zara. Diese Kleidungsstücke, die ich in meinem Lieblingsladen Stradivarius in XS oder S problemlos und perfekt sitzend gekauft hätte, sollten sich jedoch als eine bittere Enttäuschung entpuppen.
Bei Stradivarius habe ich immer das Gefühl, dass die Kleidung wie für mich gemacht ist. XS oder S passt dort perfekt, und ich fühle mich wohl in den Stoffen, die sie verwenden. Doch bei H&M und Zara war die Erfahrung dieses Mal eine ganz andere. Der Overall von H&M, den ich in meiner gewohnten Größe S bestellt hatte, erwies sich als regelrechte Falle. Es war ein regelrechter Kampf, überhaupt hineinzukommen, und als ich ihn endlich anhatte, war klar, dass ich kaum mehr herauskommen würde. Es war beängstigend eng und unbequem, und das Bodycon-Kleid, das ich ebenfalls bestellt hatte, fühlte sich trotz des Stretcheffekts alles andere als gemütlich an. Es drückte an den falschen Stellen und das Material war so steif, dass es jede Bewegung einschränkte. Das Gefühl von Leichtigkeit, das ich früher bei ähnlichen Kleidungsstücken empfand, war völlig verschwunden. Klar, Bodycon-Kleider sind körperbetont – das ist der Sinn der Sache. Aber wenn die Stretchnaht so stark spannt, dass sie schon glänzt und das Material sich wie ein Neoprenanzug anfühlt, dann läuft definitiv etwas schief.
Das Carmen-Kleid von Zara brachte keine Besserung. Es zwickte, saß verdreht, und ich hatte kaum noch Luft zum Atmen. Es fühlte sich an, als hätte sich mein Körper gegen mich verschworen, als ob plötzlich alles, was ich über mich wusste, nicht mehr stimmte. Mein erster Gedanke war: Steht meine Periode kurz bevor oder habe ich zugenommen? Der nächste Schritt war der Gegencheck mit der Waage – und siehe da, alles war wie immer. Keine Gewichtszunahme, keine sichtbare Veränderung. Und doch saß die Kleidung, als hätte ich zwei Größen zugelegt.
Der Frust war groß. Überall quoll es heraus, und vor meinen Augen blitzte das Bild einer Diät auf, obwohl mir rational klar war, dass das nicht die Lösung war. Das Gefühl, dass es vielleicht doch an mir lag, verstärkte sich – vielleicht hatte ich ja doch Wasser eingelagert oder irgendetwas stimmte nicht mit meinem Körper.
Und dann, wie es der Zufall wollte, stieß ich auf Instagram auf einen Beitrag, der mich innehalten ließ: H&M-Skandale, gefrustete Frauen, die über genau das gleiche Problem berichteten. Was war passiert? Überall das gleiche Problem: Die Kleidung fiel viel zu klein aus, und die Passform war jenseits von gut und böse. Tausende von Kommentaren unter dem Beitrag zeigten, dass ich nicht allein war. Andere Frauen berichteten von ähnlichen Erfahrungen, und langsam wurde klar: Das Problem lag nicht bei uns, sondern bei den Herstellern.
An dieser Stelle kommt das Phänomen Fast-Fashion ins Spiel. Fast-Fashion, das sind diese riesigen Modeketten, die in rasendem Tempo neue Kollektionen auf den Markt werfen, die Modewelt ständig mit neuen Trends überschwemmen und dabei Kleidung zu extrem niedrigen Preisen anbieten. Aber diese günstigen Preise haben ihren Preis – und zwar nicht nur in Bezug auf die Qualität der Kleidung, sondern auch in Bezug auf unsere Körperwahrnehmung.
In dem Versuch, immer billiger zu produzieren, scheint ein neuer Trend aufgekommen zu sein: an den Stoffen sparen. Kleider, die früher bequem und passgenau waren, sind heute zu kleinen Käfigen geworden, in denen man sich kaum bewegen kann. Diese Entwicklung ist nicht nur unverantwortlich, sondern auch ethisch höchst problematisch. In einer Welt, in der soziale Medien Körperbilder und Ideale prägen, führt das Anbieten von zu kleinen Kleidungsstücken direkt in die Arme von Unsicherheiten, Selbstzweifeln und im schlimmsten Fall sogar Magersucht.
Wie konnte es so weit kommen? H&M, Zara und Co. haben dazu bisher kein Statement abgegeben. Doch eine einfache Google-Suche bringt Licht ins Dunkel. Gibt man „H&M fällt klein aus“ ein, wird man förmlich von Foreneinträgen, Artikeln und Beschwerden überschwemmt. Der Aha-Effekt ist gewaltig: Ich bin nicht allein. Frauen auf der ganzen Welt machen die gleiche Erfahrung.
Nun stehe ich also vor meinem Kleiderschrank, in dem diese neuen Stücke hängen, und frage mich: Was nun? Eine S-Größe an meine 12-jährige Nichte weiterzugeben, kommt nicht in Frage. Ich will auf keinen Fall, dass sie denkt, sie sei zu fett, weil ein Kleidungsstück, das als S deklariert ist, ihr nicht passt. Es ist beängstigend, wie schnell solche Gedanken entstehen können, und es ist traurig, dass wir in einer Modewelt leben, in der so etwas überhaupt möglich ist.
Fast-Fashion, so wird klar, ist nicht nur eine Bedrohung für die Umwelt und die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern, sondern auch für unsere mentale Gesundheit. Die Modeindustrie hat eine Verantwortung – gegenüber uns, unseren Körpern und unserer Wahrnehmung. Es ist an der Zeit, dass wir anfangen, diese Verantwortung einzufordern. Denn eines steht fest: Kleidung sollte uns nicht einengen, sondern uns das Gefühl geben, frei und wohl in unserer Haut zu sein.