Bot-Apokalypse im Internet: Warum du online kaum noch echte Menschen triffst



Totes Internet: Wenn du mit einem Bot diskutierst und er gewinnt

Irgendwann zwischen 2018 und 2025 ist es passiert: Das Internet, wie wir es kannten, ist gestorben. Nicht mit einem großen Knall, sondern still, algorithmisch und effizient – wie ein Software-Update im Hintergrund. Und während du dachtest, du streitest mit Paul aus Hamburg über die Klimapolitik, war Paul längst ein KI-Bot, trainiert auf Reddit-Kommentaren, Facebook-Shitstorms und Buzzfeed-Snark.

Was als schräge Verschwörungstheorie begann – die sogenannte „Dead Internet Theory“ – klingt heute gar nicht mehr so abwegig. Im Gegenteil: Sie ist mittlerweile Teil ernsthafter Diskussionen. Die Grundidee? Ein Großteil des heutigen Internets wird nicht mehr von echten Menschen betrieben, sondern von künstlicher Intelligenz: Bots, die Beiträge schreiben, kommentieren, liken, streiten und sogar „emotional“ reagieren. Willkommen im Theater der Simulation.

Technisch ist das kein Hexenwerk. Dank sogenannter LLMs (Large Language Models) wie GPT, Claude oder Gemini lassen sich Texte in Sekundenschnelle erstellen – inklusive Sarkasmus, Empörung und Genderdebatte. Diese Modelle werden auf Milliarden von Textbausteinen trainiert, die sie aus Foren, Nachrichtenartikeln und Social Media saugen. Das Ergebnis: Sie klingen wie du, denken schneller als du – und brauchen keinen Schlaf. Glückwunsch, Menschheit.

Das Problem ist: Diese Systeme laufen längst nicht nur im Labor. Nein – sie sind mitten unter uns. Große Social-Media-Konzerne nutzen solche Bots, um Engagement zu simulieren. Wenn der Feed tot ist, helfen ein paar gut platzierte Kommentare von angeblichen Nutzern, um die Sache „aufzupeppen“. Auch Influencer setzen vermehrt auf KI-Hilfen: Texter, Kommentatoren, sogar ganze Avatare. Es ist effizienter, günstiger – und keiner merkt es.

Regierungen wiederum lieben diese Technik aus anderen Gründen. In internationalen Desinformationskampagnen, etwa im Kontext von Wahlen oder Konflikten, werden systematisch Fake-Accounts eingesetzt, die Stimmungen beeinflussen, Themen setzen oder Debatten sprengen. Russland, China, aber auch westliche Staaten experimentieren mit KI-basierten Trollfabriken, die heute keine Tippfehler mehr machen und dir sogar mit Emojis widersprechen.

Das Resultat für dich als Nutzer ist paradox: Du bist umgeben von Information – aber fühlst dich leer. Diskussionen wirken künstlich, emotionale Kommentare fühlen sich generisch an. Du weißt nicht mehr, ob du mit einem Menschen interagierst oder mit einer Simulation, die für maximale Reaktion optimiert wurde. Psychologen nennen das digitale Entfremdung – der Alltag nennt es einfach: „Ich hab keinen Bock mehr auf Social Media.“

Ein besonders düsteres Beispiel ist der Aufstieg der virtuellen Influencer. Avatare wie „Miquela“ oder „Mia Zelu“ haben Millionen Follower, posten täglich über Mode, Umwelt und Emotionen – sind aber 100 % CGI. Keine echte Person, kein echtes Leben. Nur simulierte Authentizität, die für Werbekampagnen gebucht wird. Ironischerweise bekommen diese „Menschen“ mehr Likes als echte Menschen. Warum? Weil sie perfekt sind – und niemals Fehler machen.

Und dann ist da noch die Sache mit der Relevanz. Wenn dein Content nicht mehr von echten Menschen bewertet wird, sondern von Algorithmen und Bots, wird jede Form von Ausdruck zur Farce. Echtheit hat keinen Marktwert mehr. Originalität verliert gegen synthetische Effizienz. Das Internet wird ein Museum aus Imitationen, in dem du dich selbst nicht wiedererkennst.

Klingt alles ein bisschen zu dystopisch? Vielleicht. Aber aktuelle Studien zeigen: Schon jetzt besteht fast die Hälfte des globalen Traffics aus automatisierten Zugriffen. Und wer glaubt, dass Bots nur einfache Aufgaben übernehmen, sollte sich mal moderne Foren ansehen: Ganze Threads bestehen nur noch aus Bot-Dialogen. Künstlich erzeugte Kommentare, generierte Gegendarstellungen – oft mit Links, die niemand jemals klickt.

Wer nutzt das alles? Neben Regierungen und Plattformen auch Unternehmen, Influencer, politische Gruppen, SEO-Agenturen, Spammer, Trolle, Aktivisten und Marketingabteilungen. Kurz: jeder, der Aufmerksamkeit will – egal ob echt oder künstlich. Denn im Zeitalter der Aufmerksamkeitsökonomie zählt nicht, ob etwas wahr ist, sondern ob es klickt.

Was also tun? Nichts? Warten, bis der letzte Mensch das Licht ausmacht?

Es gibt Alternativen: dezentrale Netzwerke, echte Communities, private Messenger, E-Mail – ja, das gute alte Internet aus der Zeit vor der großen Content-Sintflut. Oder du lernst, KI zu erkennen, Quellen zu prüfen, die Sprache zu analysieren. Du lernst, langsamer zu werden. Achtsamer. Du sprichst mit Menschen – nicht mit Profilbildern.

Denn am Ende bleibt die Frage: Willst du in einem digitalen Puppentheater leben, in dem dich Maschinen entertainen? Oder willst du wieder echte Stimmen hören, echte Gedanken lesen, echte Fehler machen?

Das Internet ist vielleicht nicht tot – aber es riecht schon ein bisschen komisch.

Und wenn dir dieser Text gefallen hat: Keine Sorge. Ich bin echt. Wahrscheinlich.😜

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