Milliarden für Aktionäre oder Zukunft für uns alle? Der heiße Kampf um den Stakeholder-Kapitalismus!

Milliarden für Aktionäre oder Zukunft für uns alle? Der heiße Kampf um den Stakeholder-Kapitalismus!

Der Stakeholder-Kapitalismus ist ein Begriff, der in den letzten Jahren immer wieder in den Mittelpunkt wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Debatten rückt, oft als Gegenentwurf zum langen dominierenden Shareholder-Ansatz, bei dem der Fokus eines Unternehmens darauf liegt, den Wert für die Aktionäre zu maximieren. Während der klassische Shareholder-Ansatz, wie ihn etwa Milton Friedman in den 1970er Jahren propagierte, davon ausgeht, dass Unternehmen primär existieren, um Gewinne für ihre Eigentümer zu erwirtschaften, stellt der Stakeholder-Kapitalismus ein breiteres Spektrum an Interessen in den Vordergrund: Neben den Aktionären sollen auch Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, die Umwelt und die Gesellschaft als Ganzes berücksichtigt werden. Doch was bedeutet dieser Wandel in der Theorie und Praxis, und lässt sich wirklich beobachten, dass Unternehmen ihre Strategien grundlegend umstellen? Die Diskussion ist komplex, gespickt mit Hoffnungen, Skepsis und praktischen Herausforderungen, die es wert sind, genauer betrachtet zu werden. Ein zentraler Punkt, der für den Stakeholder-Kapitalismus spricht, ist die Idee der langfristigen Wertschöpfung – ein Konzept, das in einer Zeit, in der kurzfristige Gewinnmaximierung oft zu Lasten von Nachhaltigkeit geht, zunehmend an Relevanz gewinnt. Unternehmen, die sich nur auf die nächste Quartalsbilanz konzentrieren, könnten ihre Zukunftsfähigkeit gefährden, etwa indem sie in Forschung und Entwicklung sparen, Mitarbeiter überlasten oder Umweltstandards vernachlässigen. Der Stakeholder-Ansatz fordert hingegen eine Perspektive, die über den nächsten Börsenkurs hinausblickt, und argumentiert, dass zufriedene Mitarbeiter, loyale Kunden und eine intakte Umwelt langfristig stabilere und profitablere Unternehmen schaffen. Firmen wie Patagonia, die ökologische Nachhaltigkeit als Kern ihrer Marke etabliert haben, oder Unilever, das mit Initiativen wie nachhaltigen Lieferketten wirbt, scheinen dieses Modell zu verkörpern und zeigen, dass es wirtschaftlich tragfähig sein kann. Doch diese Beispiele sind nicht ohne Kontroverse: Kritiker fragen, ob solche Ansätze wirklich skalierbar sind oder nur in bestimmten Nischen funktionieren.

Hinzu kommt der gesellschaftliche Druck, der den Stakeholder-Kapitalismus befeuert. In einer Welt, in der Klimawandel, sozialer Ungleichheit und ethischem Handeln immer mehr Menschen beschäftigen, stehen Unternehmen unter Beobachtung. Konsumenten boykottieren Marken, die Unternehmen agieren, und Investoren richten ihr Kapital zunehmend nach ESG-Kriterien aus – auch Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Diese Entwicklung zwingt Firmen, über ihre Rolle in der Gesellschaft nachzudenken, und der Stakeholder-Ansatz bietet hier eine Antwort: Indem Unternehmen Verantwortung übernehmen, können sie nicht nur ihr Image polieren, sondern auch Risiken minimieren – etwa Skandale wie bei der Dieselaffäre oder Arbeitsrechtsverletzungen in Billiglohnländern. Doch genau hier beginnt die Kritik: Ist dieser Wandel echt, oder handelt es sich um Greenwashing? Viele Unternehmen schmücken sich mit nachhaltigem Versprechen, ohne ihre Geschäftsmodelle substanziell zu ändern. Ein Ölkonzern, der eine Kampagne für erneuerbare Energien startet, aber weiterhin 90 Prozent seines Umsatzes mit fossilen Brennstoffen macht, ist ein häufig genanntes Beispiel. Skeptiker argumentieren, dass der Stakeholder-Kapitalismus oft nur eine PR-Strategie ist, ein schöner Lack über einem System, das im Kern weiterhin auf Profitmaximierung ausgelegt ist. Diese Sichtweise wird durch die Realität des Kapitalmarkts verstärkt: Selbst Unternehmen, die öffentlich einen Stakeholder-Fokus verkünden, geraten unter Druck, wenn ihre Aktienkurse fallen oder Aktionäre ungeduldig werden. Die Quartalsberichte bleiben ein unbarmherziger Maßstab, und Vorstände, die langfristige Projekte priorisieren, riskieren, abstraft werden.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage der Prioritäten. Wenn alle Stakeholder gleich wichtig sind – Aktionäre, Mitarbeiter, Umwelt, Gesellschaft –, wie entscheidet ein Unternehmen, wessen Interessen Vorrang haben? Soll ein Gewinnrückgang im Kauf genommen werden, um höhere Löhne zu zahlen? Oder sollen Investitionen in den Klimaschutz die Dividenden schmälern? Diese Zielkonflikte machen den Stakeholder-Ansatz in der Praxis schwer umsetzbar und öffnen die Tür für Vorwürfe der Ineffizienz. Im Gegensatz dazu ist der Shareholder-Ansatz klarer: Der Fokus liegt auf einem einzigen, messbaren Ziel – dem Unternehmenswert. Das macht Entscheidungen einfacher und im globalen Wettbewerb potenziell effektiver. Unternehmen, die sich strikt an Gewinnmaximierung halten, können schneller Kosten senken, Gewinne reinvestieren oder Marktanteile sichern, während ein Stakeholder-orientiertes Unternehmen möglicherweise durch teure Verpflichtungen gebremst wird. Insbesondere für kleinere Unternehmen, die nicht die Ressourcen von Konzernen wie Unilever haben, könnte dieser Ansatz eine Überforderung darstellen. Dazu kommt die rechtliche Dimension: In vielen Ländern, etwa den USA oder Deutschland, sind Unternehmen gesetzlich verpflichtet, primär im Interesse der Aktionäre zu handeln. Ein Vorstand, der diese Pflicht zugunsten anderer Stakeholder vernachlässigt, könnte verklagt werden. Ohne eine Reform des Gesellschaftsrechts bleibt der Stakeholder-Kapitalismus auch auf freiwillige Initiativen angewiesen – eine schwache Basis für einen echten Systemwandel.

Dennoch gibt es Anzeichen für Veränderung. Das „Business Roundtable“-Manifest von 2019, unterzeichnet von CEOs großer US-Firmen wie Apple oder JPMorgan, war ein symbolischer Moment: Es wurde erklärt, dass Unternehmen nicht nur Aktionären, sondern allen Stakeholdern dienen sollten. Auch die wachsende Bedeutung von ESG-Investitionen zeigt, dass Kapitalgeber über den reinen Profit hinausblicken. Doch wie tief geht dieser Wandel? Selbst in Unternehmen, die solche Erklärungen unterschreiben, dominieren oft weiterhin die alten Metriken – Umsatz, Gewinn, Aktienkurs. Der Druck der Finanzmärkte ist nach wie vor enorm, und viele Maßnahmen wirken eher wie kosmetische Anpassungen als wie ein Bruch mit dem Shareholder-Primat. Ein Beispiel: Viele Firmen setzen Klimaziele, aber nur wenige verändern ihre Kerngeschäfte so radikal, dass sie wirklich CO₂-neutral werden. Es bleibt fraglich, ob der Stakeholder-Kapitalismus mehr als ein Trend ist, der von idealistischen Visionen und PR-Strategien angetrieben wird, oder ob er eine echte Alternative darstellt. Die Antwort hängt davon ab, ob Unternehmen bereit sind, echte Opfer zu bringen – etwa geringere Margen oder Konflikte mit Aktionären –, und ob die Rahmenbedingungen, von Gesetzen bis Marktmechanismen, diesen Wandel stützen.

Entstehung der Stakeholder-Idee und ihr Ursprung

Die Stakeholder-Idee hat ihren Ursprung in der Betriebswirtschaftslehre und wurde erstmals in ihrer modernen Form in den 1960er-Jahren formuliert. Der Begriff „Stakeholder“ wurde 1963 in einem internen Memorandum des Stanford Research Institute (SRI) eingeführt. Dort wurde er verwendet, um Gruppen zu beschreiben, „ohne deren Unterstützung eine Organisation nicht existieren könnte“. Zu diesen zählten ursprünglich Anteilseigner, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Gläubiger. Diese frühe Definition war jedoch noch eng gefasst und fokussierte sich auf die unmittelbare Abhängigkeit eines Unternehmens von diesen Gruppen.

Entscheidend für die Weiterentwicklung und Popularisierung des Konzepts war R. Edward Freeman, ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph. In seinem 1984 veröffentlichten Buch *Strategic Management: A Stakeholder Approach* erweiterte Freeman die Idee grundlegend. Er definierte Stakeholder als „jede Gruppe oder Einzelperson, die die Erreichung der Unternehmensziele beeinflussen kann oder von dieser beeinflusst wird“. Damit ging er über die ursprüngliche enge Sichtweise hinaus und betonte die wechselseitige Beziehung zwischen Unternehmen und seinen Anspruchsgruppen. Freeman argumentierte, dass Unternehmen nicht nur die Interessen der Shareholder (Anteilseigner) berücksichtigen sollten, sondern auch die Bedürfnisse aller relevanten Stakeholder – einschließlich Gesellschaft, Umwelt und staatlicher Institutionen – in ihre Strategie einbeziehen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein.

Die Stakeholder-Theorie entstand somit als Gegenentwurf zur damals dominierenden Shareholder-Value-Ansicht, die vor allem von Milton Friedman vertreten wurde. Friedman hatte argumentiert, dass das einzige Ziel eines Unternehmens die Gewinnmaximierung für die Aktionäre sei. Freeman hingegen sah Unternehmen als Teil eines größeren sozialen Systems, in dem verschiedene Interessen ausbalanciert werden müssen. Seitdem hat sich die Stakeholder-Idee stetig weiterentwickelt und ist heute ein zentraler Bestandteil des strategischen Managements und der Unternehmensethik.

Klaus Schwab

Die Entstehung der Stakeholder-Idee und Klaus Schwabs Rolle darin

Die Stakeholder-Idee ist heute ein fester Bestandteil der Diskussion über Unternehmensführung und globale Wirtschaft. Doch woher stammt dieses Konzept, und wie hat Klaus Schwab, der Gründer des World Economic Forum (WEF), dazu beigetragen, es zu prägen? Dieser Blogartikel beleuchtet die Ursprünge der Idee und Schwabs Einfluss auf ihre Weiterentwicklung.


Die Wurzeln der Stakeholder-Idee reichen in die 1960er-Jahre zurück. Der Begriff „Stakeholder“ tauchte erstmals 1963 in einem internen Memorandum des Stanford Research Institute (SRI) auf. Dort wurde er verwendet, um Gruppen wie Anteilseigner, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und Gläubiger zu beschreiben – also jene, „ohne deren Unterstützung eine Organisation nicht existieren könnte“. Diese frühe Definition war noch pragmatisch und eng gefasst.

Einen entscheidenden Schritt machte R. Edward Freeman, ein US-amerikanischer Wirtschaftswissenschaftler und Philosoph, als er 1984 sein Buch „Strategic Management: A Stakeholder Approach“ veröffentlichte. Freeman erweiterte das Konzept grundlegend: Für ihn waren Stakeholder „jede Gruppe oder Einzelperson, die die Erreichung der Unternehmensziele beeinflussen kann oder von dieser beeinflusst wird“. Damit rückte er die wechselseitige Beziehung zwischen Unternehmen und ihren Anspruchsgruppen in den Fokus. Sein Ansatz war ein Gegenentwurf zur damals vorherrschenden Shareholder-Value-Theorie von Milton Friedman, die Gewinnmaximierung für Aktionäre als einziges Ziel eines Unternehmens sah. Freeman hingegen betonte, dass Unternehmen langfristig nur erfolgreich sein können, wenn sie die Interessen aller Stakeholder – inklusive Gesellschaft und Umwelt – berücksichtigen.

Klaus Schwab und der Stakeholder-Kapitalismus
Hier kommt Klaus Schwab ins Spiel. Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler und Gründer des WEF griff die Stakeholder-Idee auf und machte sie zu einem Kernstück seiner Vision für die globale Wirtschaft. Schon früh, in seinem 1971 erschienenen Buch „Moderne Unternehmensführung im Maschinenbau“, argumentierte er, dass Unternehmen nicht nur ihren Aktionären dienen sollten, sondern auch anderen Gruppen wie Mitarbeitern, Kunden und der Gesellschaft. Seine Gedanken waren von der sozialen Marktwirtschaft Europas beeinflusst, die nach dem Zweiten Weltkrieg in Ländern wie Deutschland eine Balance zwischen wirtschaftlichem Erfolg und sozialer Verantwortung suchte.

Schwab entwickelte daraus den Begriff des „Stakeholder-Kapitalismus“, den er in den letzten Jahrzehnten konsequent weiterführte. Besonders seit den 2000er-Jahren nutzte er das WEF als Plattform, um diese Idee weltweit zu verbreiten. In seinem 2021 veröffentlichten Buch *Stakeholder Capitalism: A Global Economy that Works for Progress, People and Planet* legt er seine Überzeugung dar, dass der reine Shareholder-Kapitalismus – mit seinem Fokus auf kurzfristige Gewinne – die Welt in Krisen wie Ungleichheit, Klimawandel und soziale Instabilität geführt habe. Stattdessen schlägt er ein Modell vor, in dem Unternehmen, Regierungen und die Zivilgesellschaft kooperieren, um langfristigen Nutzen für alle Stakeholder zu schaffen.

Ein praktisches Beispiel für Schwabs Einfluss sind die „Stakeholder Capitalism Metrics“, die 2021 vom WEF eingeführt wurden. Diese messbaren Kriterien sollen Unternehmen helfen, ihre Leistung in Bereichen wie Nachhaltigkeit, Diversität und soziale Verantwortung transparent darzustellen. Damit hat Schwab die Stakeholder-Idee nicht nur theoretisch weiterentwickelt, sondern auch in die Praxis übertragen.

Du magst vielleicht auch

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert